Synopsis
Sayyed el-Dawwy ist 80 Jahre alt und der letzte lebende Dichter der Sira - des grössten arabischen Epos. Nur er kennt ihre 5 Millionen Verse auswendig, nur er hält die Geschichten vom Volk des Halbmonds am Leben. Über Generationen ausschliesslich mündlich überliefert will er die Sira an seinen Enkel Ramadan weitergeben.
SIRA – WENN DER HALBMOND SPRICHT begleitet die beiden auf ihren Konzert-Tourneen durch Ägypten. Und während Sayyed seinem Nachkommen Ramadan die Sira in seinem Sinne vermitteln will, interessiert sich Ramadan für zeitgenössische Interpretationen im Einfluss von Pop und Soap-Operas.
Im Ringen der Generationen um die Bedeutung der Sira zeigt sich eine Welt, die zwischen Tradition und Moderne steckt – auf der Suche nach ihren Helden. Gestern wie heute.
Regie
Sandra Gysi
Geboren 1969 in Aarau. Studium der Ethnologie, Filmwissenschaft und Germanistik an der Universität Zürich, abgeschlossen mit der Lizensiatsarbeit über verschiedene populäre Künstler in Kairo (1997). Regelmässige Aufenthalte in Ägypten, Studium der arabischen Sprache. Verschiedene Weiterbildungen im Bereich Regie, Kamera, Schnitt.
Organisiert als Kulturmanagerin verschiedene Ausstellungsprojekte mit zeitgenössischer Kunst aus Afrika. Arbeitet Teilzeit als Filmproduzentin bei vum-Produktion in Zürich. Realisiert als freie Dokumentarfilmerin zahlreiche Filme.
Ahmed Abdel Mohsen
Geboren 1974 in Assuan, Ägypten. Studium der Medienwissenschaften und Journalismus an der Faculty of Art, South Valley University in Ägypten, abgeschlossen mit einer Arbeit über die Funktion von politischen Massenmedien (1996). Arbeitete als Hotelmanager in Assuan (bis 1999) und Station Manager Midwest Airlines (bis 2001).
Absolvent der Filmschule F+F in Zürich. Realisierte verschiedene Spiel- und Dokumentarfilme, unter anderem über Heiligenfeste in Ägypten. Arbeitet als freier Filmer, Projektmanager und Über_setzer aus dem Arabischen ins Deutsche und Englische und als Assistent an der Filmschule F+F in Zürich.
Directors statement
Am Anfang stand unsere Begeisterung für die traditionellen Sira-Vorstellungen, bei denen ein Sira-Intrerpret oder Sänger von Musikern begleitet Episoden aus dem Epos Sira in Poesie-Form vorträgt. Der Gesang ist eindringlich und schön, und die Kraft der Poesie ergreift nicht nur jene, die ihre Worte verstehen.
Die mündlich überlieferten Geschichten der Sira beschreiben die Abenteuer des Wüstenvolks Bani Hilal und seines dunkel-häutigen Helden Abu Zaid, die im elften Jahrhundert von der Arabischen Halbinsel über Ägypten nach Nordafrika zogen. Ihre Migration hat ihre historischen Bezüge in der Ausbreitung des Islams in diesen Gegenden, wobei viel hinzugedichtet und dramatisiert wurde. Diese «populäre Geschichtsdichtung» macht auch vor der Gegenwart nicht Halt. Die Sira wird bis heute verändert, Bezüge zur Gegenwart werden geschaffen. Diesen Zusammenhängen wollten wir nachgehen.
Dabei stellt sich immer wieder die Frage nach den Helden. Noch heute werden viele Vergleiche zwischen dem Helden des Epos – Abu Zaid – und Personen aus der jüngeren Vergangenheit gemacht. Die Frage, was heutige Helden ausmacht und wer sie sind, ist nach der unerwarteten Revolution in Ägypten aktueller denn je.
Die ursprügliche Tradition des Sira-Vortragens ist jedoch im Untergang begriffen. Zu gross ist die Konkurrenz moderner Unterhaltungsformen. Doch paradoxerweise scheint die Populärkultur, die das Epos facettenreich interpretiert, als Motor für das Fortbestehen der Sira zu wirken. So wird sie auch wieder einem jungen Publikum zugänglich macht.
Der 80-jährige Sayyed el-Dawwy ist der letzte, der die 5 Millionen Verse der Sira noch beherrscht. Er versucht heute, seinem Enkel Ramdan sein Wissen weiterzugeben. Doch Ramadan hadert mit seinem Schicksal und der Bürde, die ihm durch diese alte Tradition auferlegt ist. In diesen beiden Generationen widerspiegelt sich gleichsam das Konservieren des Alten und der Aufbruch zu etwas Neuem.
So waren wir sehr erfreut, dass wir das Vertrauen Sayyed el Dawwys gewinnen und ihn und seinen Enkel Ramadan für den Film begeistern konnten.
Mit dem Film SIRA – WENN DER HALBMOND SPRICHT wollen wir nicht nur die verschwindende Tradition und ihre Welt filmisch festhalten und el-Dawwy ein Denkmal setzen, sondern aufzeigen, wie das Epos in der heutigen Zeit fortbesteht, im Spannungsfeld der neuen Medien und den Errungenschaften und Forderungen der Moderne. Uns interessiert dieser Antagonismus zwischen Überlieferung und Neuinterpretation, zwischen traditionellen Werten und den Anforderungen der heutigen Zeit und die unterschiedlichen Weltsichten, die sich in Sayyed el-Dawwy und Ramadan el-Dawwy wiederspiegeln.
Sandra Gysi & Ahmed Abdel Mohsen
Crew
Written & directed by
Sandra Gysi & Ahmed Abdel Mohsen
Cinematography
Peter Liechti, Ahmed Abdel Mohsen, Sandra Gysi
Original Sound
Ramón Orza
Editing
Anja Bombelli, Sandra Gysi, Ahmed Abdel Mohsen, Marcel Derek Ramsay
Sounddesign & Mix
Sounddesign & Mix Ramón Orza ganzerplatz
Tonstudio Letzi
Dolby Mastering, SDS Bern
Original Music
Sayyed el-Dawwy, Ramadan el-Dawwy, Mohammed Mounir
Music
Ramón Orza
Oud - Kamilya Jubran
Percussion - Roman Bruderer, p-train
Color Correcting
Peter Guyer Rec TV, Bern
Assistent Zoé Bucher
Title Design
Haytham Nawar
Graphic Design
Alexander Meier
Webdesign
Verlag Urbane Medien, Thomas Lohbeck,
www.vum.ch
in Cooperation with
donkeyshot filmproduction
Production Management
Franziska Reck & Sandra Gysi
Executing Production in Egypt
Ahmed Abdel Mohsen & Sandra Gysi
in Cooperation with
Fekra Cultural Center Aswan
Postproduction Manager
Sabine Girsberger
Production
Franziska Reck
A production of RECK Filmproductions Zurich
Mit Unterstützung von
Zürcher Filmstiftung
Bundesamt für Kultur (EDI), Schweiz
Aargauer Kuratorium
George Foundation
Museumsfonds Int. Kulturelle Kooperation
Karl Mayer Stiftung
Gamil Stiftung
Alexis Victor Thalberg-Stiftung
Stiftung Bildung und Entwicklung, Fachstelle «Filme für eine Welt»
Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung
Kirchenrat des Kantons Zürich
Katholische Kirchen im Kanton Zürich
Röm.-kath. Dekanat Region Bern
Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn
Reformierte Kirche Baselland
Succès passages antennes
Unter dem Patronat der schweizerischen UNESCO-Kommission
Die Sira
Die Sira ist das monumentalste Epos der arabischen Welt. Ihre mündlich überlieferten
Geschichten beschreiben den Zug der Bani Hilal – dem «Volk des Halbmonds» – aus
ihrem Stammland am Rand der Wüste auf der arabischen Halbinsel über Nordafrika bis
ins heutige Spanien. Dieser Exodus ist historisch belegt und fand im 11. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung statt. Im Epos werden Heldentaten mit mythologischen Geschichten
und historischen Ereignissen vermischt.
Traditionelle Erzählform
Die Geschichten der Sira werden in ihrer traditionellen Form in Ägypten von einem Sira-
Interpreten, die auch Poeten genannt werden, vorgetragen und von Rababas – einem
ägyptischen Saiteninstrument – und Perkussion begleitet. Neben einem religiösen Intro
und den Geschichten des Epos flicht er aktuelle lokale Ereignisse und zuweilen auch
Weltgeschehen in seine Erzählung ein. Der Vortrag des gesamten Epos dauert mehrere
Tage.
Im Gegensatz zum Koran, dem schriftlich festgehaltenen heiligen Buch des Islams, lässt
die Sira Interpretationen und Veränderungen zu. Kein Sira-Vortrag gleicht dem anderen,
die Geschichten werden immer weiter entwickelt, neue Aspekte eingefügt, mit Aktualitäten
ergänzt, in kürzeren oder längeren Versionen erzählt.
Die Sira und ihr Held
Der Held des Epos ist der dunkelhäutige Abu Zaid. Seine Zeugung ist ein Mythos: Seine
Mutter bittet am Wunschsee um einen Sohn, so stark wie der schwarze Vogel, der über
ihr kreist. Sie bringt ein schwarzes Kind – Abu Zaid – zur Welt. Ihr Mann, ein Prinz der
Bani Hilal, ist entsetzt, als er das dunkle Gesicht seines Sohnes sieht. Er bezichtigt seine
Frau des Ehebruchs mit dem Sklaven und verstösst Frau und Kind. Im Exil erzieht seine
Mutter Abu Zaid zu einem guten Reiter und Krieger.
Als Abu Zaid später Führer der Bani Hilal wird, bleibt er dem einfachen Volk verbunden.
Immer wieder gelingt es ihm, Konflikte zu schlichten und das Volk zu einen. Und das Volk
liebte seinen gerechten und charismatischen Helden.
Er pflegte gute Beziehungen zu gleich gesinnten, benachbarten Völkern. Als der Sultan
von Irak von jüdischen und christlichen Truppen bedroht wird, steht ihm Abu Zaid zur
Seite. Gemeinsam besiegen sie die Angreifer.
Die Lebensbedingungen in der Wüste sind hart und stets träumte das «Volk des Halbmonds» vom legendären Tunis mit seinen üppigen Gärten. Als eine schwere Hungersnot ausbricht, überzeugt Abu Zaid sein Volk mit einer demagogischen Rede, den Zug nach Westen anzutreten.
Mit ihrem gesamten Hab und Gut – voll beladene Kamele, Esel und Pferde – durchqueren
die Bani Hilal auf ihrem Weg den Irak, Sham (das Gebiet des heutigen Syrien, Palästina
und Libanon) und Ägypten, um über Libyen nach Tunis zu gelangen. Dem Fussvolk
voraus stürmen berittene Kriegergruppen, die jede Schlacht gewinnen, die sie bestreiten
müssen. So erreichen sie Tunis und nehmen den Ort ihrer Träume ein.
RECK Filmproduktion GmbH
RECK Filmproduktion in Zürich wurde 2000 von Franziska Reck gegründet. Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung und Produktion von Dokumentar- und Experimentalfilmen, insbesondere Filmessays, für Kino und Fernsehen.
Franziska Reck setzt sich seit über zwanzig Jahren aktiv und engagiert für ein eigenständiges Schweizer Filmschaffen ein; anfänglich als Filmverleiherin bei der Filmcoopi Zürich (1983-90), danach als Filmproduzentin im Aufbau der Schweizerischen Verleihförderung und als Leiterin der IGV/CID (1993-2000) und seit 2000 als unabhängige Filmproduzentin und Inhaberin der RECK Filmproduktion.
Die RECK Filmproduktion steht für das Interesse an den Lebens- und Ausdrucksformen der Menschen, sowie der Neugierde auf Bilder – dokumentarische, inszenierte und experimentelle: Im Zentrum der Suche stehen menschliche Begegnungen, Bilder des Zusammentreffens verschiedener Kulturen.
www.reckfilm.ch